Inhalt:
Die gebürtige Wienerin Helga Pollak, Jahrgang 1930, ist die Protagonistin des Buches "
Die Mädchen von Zimmer 28" von Hannelore Brenner-Wonschick. An der Seite der Autorin hat Helga Pollak-Kinsky, Insassin des "Zimmers 28" im Theresienstädter Mächenwohnheim und Überlebende von Theresienstadt und Auschwitz, seit 2003 an zahlreichen Lesungen mitgewirkt, meist im Rahmen der Wanderausstellung "
Die Mädchen von Zimmer 28".
Wenn Helga aus ihrem Tagebuch liest, dann nimmt sie die Zuhörer unmerklich an die Hand,
nimmt sie mit in die Welt von damals, 1943-1944, in den Mikrokosmos Zimmer 28, Mädchenheim, Theresienstadt, einer "Insel im tobenden Meer". Spürbar nahe kommen die Zuhörer dem 12-14 jährigen Mädchen, nehmen Teil an dem, was sie erlebte, was sie bewegte, tauchen ein in das Leben im "Ghetto" Theresienstadt, in den Alltag im Zimmer 28, einer Atmosphäre, die den Kern der kommenden Tragödie bereits in sich birgt.
Seit 2008 wirkt Zwockhaus mit an diesen Lesungen und versucht, den Worten Helgas mit Musik eine Dimension hinzuzufügen. Welch elementare Kraft der Kunst innewohnt, was künstlerische Leistung, künstlerisches Schaffen bedeuten kann für Menschen, die vor einem Abgrund stehen, das machen die Lieder aus unseren Kabarett- und dem Ilse-Weber-Programm spürbar. Und davon erzählen auch auf berührende Weise die Tagebucheintragungen von Helga Pollak:
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Freitag, 29. Januar 1943
Ich bin eingezogen ins Mädchenheim. Es ist ein sonniges Zimmer im Gebäude der ehemaligen Militär-verwaltung. Das Haus liegt neben der Kirche, die Fenster des Zimmers gehen auf den Marktplatz. Ich möchte immer aus dem Fenster schauen, weil ich schöne Berge sehe. Wenn es klar ist, sehe ich auf einem Berg ein Kreuz und auf dem anderen eine Burg.
Mittwoch, 31. März 1943
Heute hat unsere Betreuerin Eva kleine Schildchen gemacht, die wir an unseren Pritschen anbringen. Wir sollten uns ein Motto oder ein Symbol aussuchen, das eine besondere Bedeutung für uns hat. Ich habe mir als Symbol den Leuchtturm gewählt und den Spruch: "Sei stets bereit". Der Leuchtturm könnte die Hoffnung sein, sagen die Mädchen. Aber ich stelle mir vor, wir sind hier alle dem Sturm ausgesetzt und um uns das tosende Meer - der Krieg.
Es sind schon vier Jahre her, dass Mutti nach England gefahren ist, und es sind viereinhalb Jahre her, dass ich sie nicht gesehen habe. Es wird wahrscheinlich lange dauern, bis wir einander wiedersehen. Ich sehne mich sehr nach meiner Mutti. Darum habe ich ihr Foto in mein Tagebuch gegeben und stelle mir vor, dass ich das, was ich schreibe, ihr erzähle.
5. September 1943
Das war heute ein Tag! Aber es ist schon alles vorbei. Sie sind schon alle in der Schleuse. Von uns fahren Pavla, Helena, Zdenka, Ollile und Popinka. Um sechs Uhr abends sind sie angetreten. Der Abschied war schwer... Um acht Uhr abends ging ich auf die Suche nach Zdenka. Sie saß mit ihrer ganzen Familie auf ihrem Gepäck und aus Freude mich zu sehen hat sie geweint und gelacht zugleich.
In der Nacht hatte ich schreckliche Träume, und als ich aufwachte, hatte ich riesige Ringe um die
Augen.
Mittwoch, 5. April 1944
Heute war ich bei einem Beethoven-Konzert. Sie spielten eine Violinsonate. Taussig spielte Violine und Professor Kaff Klavier. Dann folgte eine Klaviersonate, die Kaff auswendig spielte. Er lebte in ihr. Er spielte mit geschlossenen Augen. Für mich war es wie ein Märchen. - Nach dem Konzert wollte ich nicht weggehen. Warum bin ich in Theresienstadt? Alles war so schön - und nun dieses dunkle, graue Theresienstadt. Ich möchte in das Klavier hineinschlüpfen. Da drinnen ist Musik. Und hier draußen ist das Gefängnis.
MUSIK IST DIE SCHÖNSTE UND INTERESSANTESTE SCHÖPFUNG DER MENSCHLICHEN SEELE, DIE DER MENSCH AUS DEM NICHTS GESCHAFFEN HAT!!"
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